23.6.05

nachtfalterblau

Es gibt sie also wirklich, diese windstillen Sommerabende, in denen es nicht dunkel wird vor 11 oder halb 12 in der Nacht – und auch dann: So ein reines, so ein sattes, so ein klares Nachtfalterblau hab ich noch niemals gesehen an einem Himmel und so transparentes über-irdisches Blau wie das, das am westlichen Horizont schimmert, auch nicht. Die ganze Stadt ist wie verzaubert, sie entfaltet ihr ganzes irreales Potential in diesen durchsichtigen Nächten, sie schwebt irgendwo zwischen Erde und Himmel, zwischen Wahrheit und Trugbild, durch diese Stadt gehen heißt sich in einem Märchen bewegen. Diese Stadt muss irgendjemand erfunden haben und wir sind Figuren, die darin umherlaufen wie es dem Dichter gefällt. Vielleicht weil die Luft so klar ist, weil sie so sanft ist, weil sie so frisch ist, weil sie zum Schlürfen ist. Weil der Abend bis zur Ewigkeit dauert, weil die helle Nacht die Stadt verwandelt in einen Traum.
Mehr denn je verstreicht hier eine eigene Zeit; wenn hier eine Stunde vergeht, vergeht woanders vielleicht ein Tag oder ein Jahr, während wir die Lichter am Hafen betrachten, sind sie woanders tausend Mal an und wieder aus gegangen, während wir nachtwandeln im Schein orangener Laternen, sind die Menschen woanders tausend Mal in Schlaf gesunken und wieder aufgestanden.
Wir fahren auf einem großen Schiff am Horizont und das Schiff bewegt sich auf einem Luftpolster, ohne Lärm, ohne Technik, dank einer dem Rest der Welt unbekannten Form von Energie, wir betrachten still den Abendstern, wir haben die hektische Welt da draußen abgehängt, wir schweben im Traumraum.

Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass die Schnaken auch durch den dicksten Jeansstoff stechen, dass sie aus den Salzwiesen herbeifliegen, das ist zu vermuten, aus irgendwelchen alten Sümpfen. Wer weiß, ob die Träume von da her kommen.