20.1.10

nichts als schnee

wieder einer dieser schneemorgen, wieder nur weiß am himmel, weiß auf den häusern, weiß auf den straßen, weiß auf dem wall, tausend varianten von weiß, fuß- und reifenwärts immer mehr in ein trockenes oder freuchtes braun sich verwandelnd. nichts ändert sich. nur manchmal scheint auf der schneetafel im hof ein alter filmtitel auf: si le soleil ne revenait pas.

alle anderen farben (außer weiß, braun, grau) scheinen aufgefressen, ausgelöscht. obwohl manche sagen, es sei so schön zur blauen stunde: all das bläuliche licht. manche erinnern sich an ferne winter, in denen der schnee sich türmte überall, an den winter, als die leute im atomkraftwerk in lubmin eingeschneit waren, an die kalten winter in erfurt, minus 15 keine seltenheit, an die alten winter in bayern, glitzernder schnee utner blauem himmel, an die winter der kindheit, als man durch freigeschaufelte zonen zwischen hohen schneewänden ging, als der winter an der schlittelqualität, an der wurfqualität der schneebälle, an der dicke der eisdecke gemessen wurde, schlittschuhkufen auf dem zugefrorenen teichen, das prasselnde feuer zuhause, im warmen, wenn man heimkam mit blauen lippen. der schmerz wenn die füße wieder auftauten mit den halb erfrorenen zehen. es gab noch keine funktionswäsche.

jetzt können wir sagen: vor ein paar tagen, als kein zug mehr fuhr zwischen berlin und stralsund. vor ein paar tagen, als die schneewehen die A20 unpassierbar machten. vor ein paar tagen, als auf rügen kein durchkommen mehr war. vor ein paar tagen, als wir festsaßen im schneegedämpften greifswald. vor ein paar tagen, als freundschaften dahinschmolzen. schon wird alles weiße erinnerung.