19.12.07

Weihnachtlicher Clash of culture

Noch eine Woche bis Weihnachten. Und noch kein einziges Weihnachtsgeschenk besorgt. Was soll ich bloß kaufen um Weihnachtshimmelswillen?

Ich stehe im Real, Media Markt, Marktkauf, Norma, Plus vor riesigen Wühlkisten, vor langen Regalen mit DVDs und CDs und bin verzweifelt. Die Wahl wird durch das kulturelle Umfeld bestimmt, habe ich das nicht mal irgendwo gelesen? Oder geschrieben? Manche/r mag dabei an Thomas Mann denken, an Goethe, an die Zauberflöte und den Rosenkavalier. Manche singen lieber ihr Kinderlein kommet zu Alice im Wunderland oder Captain Blaubär. Manche schwören aufs Tintenherz oder Die dunkle Allee. Viele pottern sich durch und springen auf den Hogwarts Express. Andere denken vielleicht Wachet auf und kauft Finnegans Wake. Die Einen lesen die Genesis, die Andern kaufen die Live-CD. Wieder andere sagen bei euch hipphoppts wohl nicht richtig, die nächsten haben nen dub, die übernächsten rocken die Roots und die Übrigen kriegen den Blues. Und die einen wie die andern beten die Madonna an.

Und dann gibt es diejenigen, die den Ausdruck kulturelles Umfeld möglicherweise nicht kennen, aber dabei an Peter Alexander, Heinz Erhard, Heintje, den Komödienstadel, Ohnsorgtheater und die Lindenstraße denken. Das steht vielleicht nirgends geschrieben, mais c’est la vie. Das pfeifen die Kastelruther Spatzen vom Dach. Hansi Hinterseer (oder war’s Hinterseher?) lächelt sich über den Bildschirm. Der Hansi Hinterseher hat übrigens mal eine schöne Definition von Heimat gegeben, aber das gehört jetzt nicht hierher, oder doch, weil die kulturellen Heimaten sind eben verschieden.

Weihnachten heißt also CDs kaufen müssen, mit denen man nicht gesehen werden will. Die familiären Beeinflussungs- oder gar Umerziehungsversuche wurden längst altersweisheitstolerant aufgegeben. Jedem sein Geschmack. Vergangene und womöglich künftige Weihnachtsabende ziehen vorüber, begleitet durch die dunkle Stimme von Caroline Reiber. Hereingetreten, Patrick Lindner macht die kloane Tür zum Paradies auf, das Alpentrio Tirol fragt: Hast a bisserl Zeit für mi, die Bergfeuer flackern munter bis zu de Cordilleren und Maria und Margot Hellwig behaupten, sie äßen als täglich Brot die Musik, bieten ihre Musik aber leider uns als täglich Brot dar. Stephanie wiederum überrascht uns mit dem Schlager Ich heiße Stephanie, Marianne & Michael singen Lieder so schön wie die Heimat, und wenn wir Judith & Mel glauben, dann wird alles gut.

Es ist schwer sich loszueisen von den Maderln vom Land von Florian Silbereisen, die Alpenrebellen haben ein Problem mit dem Orthogravieh und rebellieren nach dem Motto Reden ist Silber, Geigen ist Gold.

Weihnachten heißt also CDs kaufen müssen, die Grand Prix Hits der Volksmusik heißen, und hoffen, dass einen an der Kasse niemand sieht, vor allem weil man auch noch eine DVD von Peter Alexander (nein, nicht Charlie’s Tante, sondern die Lümmel von der ersten Bank, in die man später am Abend hineinschauen infolge wessen man in eine winterliche Kulturkrise hineinschlittern wird) im Einkaufswagen hat, also hoffen, dass einen niemand sehen wird, der einen kennt – wobei das Risiko hier in Pommern nicht allzu groß ist – und wer zum Teufel ist Captain Cook und seine singenden Saxophone?

Um es mit Florian & Florian zu sagen, Langer Rede kurzer Sinn: So kann ich nicht durch die Kasse gehen. Ich drapiere gerade Tom Hanks ( Professor Langdon) über Maria Hellwig, ein Sakrileg, darüber gabs neulich einen Vortrag an der Uni, als mein Blick auf Audrey Hepburn fällt (nein nicht das Frühstück bei Tiffany, Natascha diesmal, reizende Stirnlöckchen, ein glitzerndes Diadem im hochgesteckten Haar und nichts auf dem tiefen Dekollete), Audrey Hepburn also zwischen Henry Fonda (Pierre) und Mel Ferrer (Prinz Andrei), ich greife zu, das könnte die kognitive Dissonanz ein wenig besänftigen, vielleicht können wir in den elterlichen Haushalt doch noch ein wenig schöne Krieg & Frieden spielen unterm Weihnachtsbaum.